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FALL:

Dehydrierter Jugendfeuerwehrangehöriger bei Zeltlager

EREIGNIS

Nach Beendigung eines Zeltlagers sollten Zelte ab- und später wieder aufgebaut werden. Seit dem Morgen gab es jedoch weder Essen noch Trinken. In der Folge wurde von einem Betreuer ein dehydriertes Kind vorgefunden. Der Betreuer informierte daraufhin den Jugendwart, wurde von diesem jedoch respektlos angeschrien, dass er sich raushalten und die Zelte weiter fertigmachen solle.

FACHKOMMENTAR

Die Aufsichtspflicht über Kinder obliegt gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB §§ 1626 und 1631) den Eltern. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Hierbei sind die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen. Aufsichtspflicht bedeutet, die Kinder und Jugendlichen davor zu bewahren, sich selbst zu gefährden und sich Schaden zuzufügen (Eigenschaden), oder andere zu gefährden und anderen Schaden zuzufügen (Personen- und Sachschaden).

Fährt ein Kind mit der Jugendfeuerwehr auf eine Jugendfreizeit (z.B. Zeltlager), so treffen die Eltern mit der Feuerwehr eine Vereinbarung. In der Zeit, in der die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen können, gehen die Rechte und Pflichten auf das Unternehmen (Gemeinde) und somit die Feuerwehr über. Mittels Pflichtenübertragung ist dann ein Mitglied des Unternehmens, in der Regel der Jugendfeuerwehrbetreuer, Verantwortlich. Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin hat im Rahmen ihrer Unternehmerpflichten personelle Auswahl- Aufsichts- Kontroll- und Organisationsverantwortung (siehe § 3 Absatz 2 UVV Feuerwehren). Die Gemeinde als Unternehmer und die Wehrführung als Leitung eines Unternehmensteils darf nur zuverlässige und hinreichend persönlich und fachlich qualifizierte Personen mit Aufgaben betrauen (siehe § 7 DGUV Vorschrift 1 Grundsätze der Prävention).

Kinder und Jugendliche sind darüber hinaus als Feuerwehrangehörige geeignet zu betreuen und zu beaufsichtigen. Ihr körperlicher und geistiger Entwicklungsstand sowie Ausbildungsstand ist hierbei zu berücksichtigen (siehe § 17 Absatz 1 DGUV Vorschrift 49 Feuerwehren).

Gerade bei Zeltlagern oder Fahrten müssen ausreichend Pausen zur Essensaufnahme und Trinken eingeplant werden. An sonnigen und heißen Tagen müssen zusätzliche Pausen eingehalten oder schattige Plätze aufgesucht werden. Gerade bei überörtlichen Zeltlagern, bei denen verschiedene Gruppen zusammenkommen gibt es gerne zu verschiedenen Anlässen Zeremonien bei denen alle Teilnehmer antreten, Siegerehrungen oder Reden gehalten werden. Vor allem in dieser starren Stehposition kommt es bei erhöhter Sonneneinstrahlung zu Kreislaufproblemen und plötzlich zusammensackenden Jugendfeuerwehrmitgliedern. Daher müssen solche Zeremonien kurzgehalten oder in den Schatten verlegt werden. Es sollten Verhaltenstipps an die Teilnehmer ausgegeben werden wie z. B. immer wieder mal die Finger und die Zehen etwas bewegen um den Kreislauf anzuregen. Bei auftretendem Unwohlsein sofort nach hinten aus der Gruppe treten, sich hinsetzen und möglichst in den Schatten begeben.

Neben den persönlichen Voraussetzungen für Betreuer und Jugendwarte muss der Unternehmer oder die Unternehmerin dafür Sorge tragen, dass im Feuerwehrdienst nur Maßnahmen getroffen werden dürfen, die ein sicheres Tätigwerden ermöglichen (siehe § 15 DGUV Vorschrift 49 Feuerwehren). Um die möglichen Gefährdungen zu identifizieren muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden (siehe § 4 DGUV Vorschrift 49 Feuerwehren).

Im vorliegenden Fall lag die Aufsichtspflicht bei den Betreuern bzw. dem Jugendfeuerwehrwart der Feuerwehr. Wenn körperlich anstrengende Arbeiten erledigt werden müssen, muss gerade bei Angehörigen der Jugendfeuerwehr deren körperlicher Leistungsstand berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssen die Umgebungsbedingungen beachtet werden, die schädigenden Einfluss haben können. Das bedeutet, vor allem bei warmen Temperaturen ausreichend Flüssigkeit zur Verfügung zu stellen. Es liegt hier somit ein Organisationsversagen vor.

Die abweisende und uneinsichtige Reaktion des Jugendwartes lässt darüber hinaus die Vermutung zu, dass er persönlich für dieFunktion nicht geeignet ist.

Dieses Fallbeispiel beruht auf anonymen Schilderungen. Hier gegebene Handlungsempfehlungen befreien nicht von der Pflicht zur Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften und des sicherheitstechnischen Regelwerks.

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